Vulkane im Herzen des Atlantik

Geländeübung auf den Azoren vom 19. – 26. März 2018

Mitten im Atlantik liegt ein kleines Paradies, wo sich Wale tummeln und grüne steile Hänge aus dem Meer herausragen. Neun Inseln umfasst das Archipel. Rundherum erstreckt sich der Ozean – 1700 km nach Osten bis nach Europa und 2500 km nach Westen bis nach Amerika. Im Zentrum der Inselgruppe überragt ein mächtiger Vulkan alles. Der 2351 m hohe Ponta do Pico ist der höchste Berg Portugals und befindet sich auf der Insel Pico, die neben der Nachbarinsel Faial das Ziel der Geländeübung von sieben Studenten der FAU und 14 Studenten der Universität Münster unter der Leitung von PD Dr. Christoph Beier (GeoZentrum Nordbayern, FAU Erlangen-Nürnberg), Prof. Dr. Stephan Klemme (Universität Münster) und Doktorand René Romer (GeoZentrum Nordbayern, FAU Erlangen-Nürnberg) war.

Blick von der Insel Faial nach Pico. Die Sicht zur Spitze des 2351 m hohen „Ponta do Pico“ ist oft von Wolken verdeckt. Die Wanderung auf den höchsten Berg Portugals war eines der vielen Highlights der Geländeübung. (Foto: M. Hanisch)

Am 19. März erreichten die Geologen nach 15-stündiger Anreise inklusive einer unplanmäßigen Landung auf Pico und anschließendem Fährtransfer die Insel Faial. Das Thema der Geländeübung ist die Entstehung und Entwicklung der Azoren. Die Inselgruppe befindet sich auf einem ozeanischen Plateau (ca. 2300 km²), das vor ca. 10 Millionen Jahren durch eine regionale Schmelzanomalie entstand. Durch die besondere Lage an drei Plattengrenzen und dem signifikanten tektonischen Einfluss, gelten die Azoren als ein einzigartiges Beispiel für ozeanischen Intraplattenvulkanismus. Der Mittelatlantische Rücken trennt den westlichen Teil des Azoren Archipels mit den Inseln Flores und Corvo, die auf der Amerikanischen Platte liegen, von dem größeren östlichen Teil, mit den Inseln Pico, Faial, Terceira, São Miguel, São Jorge, Graciosa und Santa Maria , auf der Afrikanischen und Eurasischen Platte. Die Grenze der Afrikanischen und Eurasischen Platten wird durch ein Störungssystem markiert, dass sich bis in den Himalaya zieht. Der genaue Verlauf der Grenze im Bereich der Azoren ist aufgrund der anomal dicken ozeanischen Kruste unklar. Die tektonische Komponente ist dennoch entscheidend für die Intensität des lokalen Vulkanismus, denn entgegen dem sehr gut erforschten Fall des Intraplatten-/Hot-Spot Vulkanismus der Hawaii-Emperor Kette, gibt es unter den Azoren keine seismisch nachweisbare tiefe Schmelzanomalie (sog. Plume), die von der Kern-/Mantel-Grenze aufsteigt und durch die enorm hohen Temperaturen zur Aufschmelzung großer Mengen von Gestein führt.

Bathymetrische Karte des Azoren Plateaus (aus Miranda et al. 2014)

[Exkurs: Die runde Morphologie der Inseln und Seamounts der Hawaii-Emperor Kette entspricht der Erwartung einer Inselbildung über einem sogenannten „Hot-Spot“ (sofern nicht ein Teil einer Insel durch einen Bergrutsch unter der Meeresoberfläche verschwindet => Molokai). Die langsame Bewegung der ozeanischen Platte über diesen Hot-Spot führt zu der Ausbildung einer Seamount-/ Inselkette. Nach einer anhaltenden Phase des Magmatismus erheben sich die vorerst submarinen Strukturen (Prä-Schild Stadium) über die Meeresoberfläche und bilden mächtige vulkanische Inseln aus (Schild Stadium). Nach ca. 400.000 Jahren gehen die Strukturen in eine Phase geringer magmatischer Aktivität bis Inaktivität über (Post-Erosionales Stadium). Das humide Klima führt dazu, dass die Vulkane schnell erodieren und sich durch die zunehmende Entfernung vom Hot-Spot absenken, bis sie wieder unter der Meeresoberfläche verschwinden. Big Island ist die jüngste hawaiianische Insel und befindet sich relativ über dem Hot-Spot. Nach Nordwesten hin werden die Inseln immer älter.]

Die Inseln der Azoren sind nicht typisch rund und wie auf einer Kette angeordnet und zeigen auch keine Altersprogression vom Zentrum des jüngsten Vulkanismus weg. Die Ursache für die Schmelzanomalie ist hier nicht die hohe Temperatur eines Hot-Spots, sondern vermutlich der hohe Wassergehalt. Dadurch wird der Schmelzpunkt des Gesteins herabgesetzt. Die großen, interagierenden Störungssysteme des Azoren Archipels bieten viele Wegsamkeiten, für einen möglichen Aufstieg des Magmas.

Neben der speziellen Natur der Entstehung der Azoren, galt das Interesse der Frage danach, was genau passiert, wenn ein Vulkan die Meeresoberfläche durchstößt und wie er sich im Laufe der Zeit entwickelt. Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen wurden auf der 6-tägigen Geländeübung acht Aufschlüsse auf der Insel Faial und vier auf der Insel Pico erforscht. Dabei wurden die Prozesse des phreatomagmatischen Vulkanismus untersucht, wie sie u.a. im Westen der Insel Faial am Beispiel des Ausbruchs des Capelinhos von 1957/58 nachvollzogen werden können. Durch explosive Eruptionen bahnte sich der Vulkan den Weg über die Meeresoberfläche. Man spricht hier von einer surtseyischen Eruption, die nach der Insel Surtsey südlich von Island benannt ist, die auf die gleiche Weise fünf Jahre später entstand. In dieser Phase kam es zur Ablagerung von vulkaniklastischen Tuffen und Aschen, die aufgrund der schnellen Abkühlung durch den Kontakt mit Luft entstanden. Daraufhin bildete sich ein Schlackenkegel. Es kam zu strombolianischen und zum Ende hin auch zu einer kurzen Phase von hawaiianischen Eruptionen. Mit dem Durchbrechen der Meeresoberfläche bildete sich zuerst eine kleine Insel. Durch weitere Eruptionen kam es schließlich zur Verbindung der Capelinhos Insel mit Faial.
Der Leuchtturm und die Küste wurden unter Aschen und Schlacken begraben, sodass nur noch die Glaskuppel des Leuchtturms herausschaute. Der Vulkanausbruch wurde durch viele Erdbeben begleitet. Vulkanische Bomben beschädigten einige Gebäude und Aschen bedeckten die landwirtschaftlichen Nutzflächen, was dazu führte, dass einige Menschen aus der Gegend evakuiert werden mussten und zum Teil in die USA emigrierten.
Heute, 60 Jahre nach der Eruption, ist ein Großteil des neu entstandenen Landes bereits wieder erodiert und der Leuchtturm ist wieder zugänglich. Die Aschen und Tuffe haben den rauen Witterungsbedingungen auf dem Ozean nicht viel entgegenzusetzen. Capelinhos wird aufgrund der fortschreitenden Verwitterung und Abtragung des feinen vulkaniklastischen Materials wieder im Meer versinken.

Wie konnten die Inseln der Azoren dann so alt werden?

Entscheidend dafür ist die weitere Entwicklung eines Vulkans. Über einem Hot-Spot kommt es in der Hauptphase der vulkanischen Aktivität zu hawaiianischen Eruptionen. Mit der Zeit kann das Magma ohne abgeschreckt zu werden aufsteigen und als sehr heiße, niedrig viskose Lava ausfließen. Dadurch entstehen mehrere Meter mächtige Lavaflüsse, die letztendlich den Vulkankegel stabilisieren und vor Erosion schützen. In der sogenannten Schildphase eines Ozean Insel Vulkans findet das größte Wachstum statt. So bildete sich zum Beispiel der 4169 m hohe „Mauna Loa“ auf Hawaii und der 2351 m hohe „Ponta do Pico“.
Auf beiden Inseln, Pico und Faial, gibt es Nachweise hawaiianischer Eruptionen. Auf Pico finden sich einige sehr gut erhaltene Strukturen, die in dieser Phase entstehen. Lava niedriger Viskosität und hoher Temperatur fließt bei einer Eruption den Hang hinunter und kühlt nur langsam ab. An der Oberfläche bildet sich mit der Zeit eine Kruste, die die Lava darunter isoliert. Die noch heiße Lava kann dadurch unterirdisch weiterfließen. Es bilden sich Lavatunnel, die als Hohlräume zurückbleiben, wenn der Nachschub stagniert und der Ausfluss weiter unten möglich bleibt. Wenn ein Lavatunnel verstopft, bilden sich durch den Druck des aufstauenden Materials „Hornitos“. Diese steilen Hügel, die nicht mit parasitären Vulkankegeln zu verwechseln sind, geben Hinweise darauf, wo sich ein Lavatunnel befinden könnte. „Hornitos“ sind oftmals mit „Skylights“ assoziiert. „Skylights“ sind wenige Dezimeter bis einige 10er Meter große Einsturzkrater, die sich durch Hohlräume unterhalb erstarrter Lava bilden können. Ursache für die Hohlräume können auch Gasblasen sein, die durch die Entgasung der Lava entstehen. Laven werden nicht nur durch den Hauptkrater des Vulkans gefördert, sondern auch durch parasitäre Kegel an den Flanken. Entlang von Störungen und Brüchen sucht sich das Magma den einfachsten Weg.
Heiße und dünnflüssige basaltische Lava, die einen Vulkan hinabfließt, bildet immer wieder dünne Krusten, die an Schwachstellen aufreißen und einen neuen Vorstoß von Lava gewähren, deren Oberfläche wiederum erstarrt. Es bilden sich sog. Zehen (engl. „toes“). Die Fließmuster bleiben dabei erhalten und überliefern damit die Fließrichtung. Erstarrt sieht die Struktur aus wie nebeneinander gelegte Stricke (engl. „ropy structure“). Dieser Lava-Typ wird „Pāhoehoe“ genannt.
Mit der Abkühlung findet ein Übergang von „Pāhoehoe“ zu „A’a“ Lava statt. Je weiter sich der Lavafluss vom Eruptionszentrum entfernt, desto mehr kühlt er ab und damit steigt auch die Viskosität. Die Lava fließt langsamer und die Oberfläche ist durch chaotisch angeordnete, schlackenähnliche, brekziöse Klasten gekennzeichnet, die den inneren Teil des Flusses isolieren, der als massiger Kern abkühlt.
Alle diese Strukturen und viele weitere Besonderheiten konnten an den zwei Tagen auf Pico beobachtet werden.
Ein Highlight der Geländeübung war die Besteigung des „Ponta do Pico“. Auf dem Weg zur höchsten Erhebung Portugals mussten 1120 Höhenmeter auf einer Strecke von 3,75 km zurückgelegt werden. Auf der Spitze des aktiven Vulkans („Piquinho“) findet man Fumarolen, aus denen heißes Gas entweicht. Der letzte Ausbruch des Pico war 1718.

Die zentrale vulkanische Struktur von Faial bildet die 1043 m über dem Meeresspiegel liegende Caldera. Ihr ist eine Schildphase vorrausgegangen. Im Laufe der Aktivität des Vulkans entwickelte sich das Magma immer mehr und wurde felsischer. Durch fraktionierte Kristallisation entstand SiO2-reicheres, viskoseres Material. Durch den Nachschub von heißerem mafischen Magma wurde ein explosiver Vulkanismus getriggert, der zur Ablagerung von Aschen und Bimsen führte. Der innere Bereich des Vulkans sank nach und nach ab und verdrängte dabei unterliegendes Magma, das sich entlang der Caldera Ring Störung seinen Weg nach oben bahnte und trachytische Dome bildete. Begleiterscheinung der Caldera-Bildung sind auch hier parasitäre Flankeneruptionen, die unter anderem an den Störungen im Osten und Westen zu Tage traten.

Die Geländeübung auf den Azoren vermittelte einen Eindruck von der Entwicklung von Ozeaninselvulkanen vom Durchbrechen der Wasseroberfläche hin zu den letzten Atemzügen. Es wurde aber auch deutlich, dass selbst der nahezu rezente Vulkanismus nicht lückenfrei und simpel erklärt werden kann. Die Forschung auf den Azoren ist noch nicht am Ende angelangt.

Geologen des Lehrstuhls für Endogene Geodynamik der FAU haben sich in den vergangenen Jahren intensiv mit der Erforschung des Vulkanismus des Azorenplateaus beschäftig. Auf Ausfahrten der Forschungsschiffe Meteor und Poseidon wurden Beprobungen des submarinen Bereichs des Plateaus vorgenommen. Die Ergebnisse von einigen Bachelor- / Master- und Doktorarbeiten trugen zu Publikationen von Prof. Dr. Karsten Haase und seinem Team bei. PD Dr. Christoph Beier und Dr. Ulrich Küppers von der LMU München veröffentlichten dieses Jahr ein Buch über den Vulkanismus auf den Azoren.

Autor: Marcel Hanisch